Viele Arbeitsverträge enthalten Ausschlussklauseln, welche vorsehen, dass Ansprüche zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern innerhalb einer in der Klausel festgelegten Zeit entweder außergerichtlich oder klageweise gegenüber der anderen Partei geltend zu machen sind. Anderenfalls verfallen sie ersatzlos. Dies betrifft auf Arbeitnehmerseite häufig ausstehende Lohnansprüche für geleistete Überstunden oder Ansprüche auf Urlaubsabgeltung. In der Regel sind Fristen in Ausschlussklauseln kürzer als die gesetzliche Regelverjährung von drei Jahren.
Erst kürzlich hatte ich einen Arbeitsvertrag aus der Drogerie in der Hand, was mich, Rechtsanwältin Schmalenberg, zu diesem Blogbeitrag inspirierte. Denn Arbeitnehmer sollten Vorsicht bei Ausschlussklauseln walten lassen. Der Arbeitgeber hat in diesem Fall erst 2021 einen Arbeitsvertrag mit meinem Mandanten geschlossen und einen fast neuen Vordruck verwendet. Der Arbeitsvertrag enthielt eine Ausschlussklausel, wonach alle Ansprüche gegenüber der anderen Partei innerhalb von 3 Monaten in Schriftform geltend zu machen seien. Jedoch war diese Klausel nicht an die aktuelle Rechtsprechung angepasst und grob falsch. Die Ausschlussklausel ist unwirksam und so konnte der Arbeitnehmer auch noch ältere Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gegen den Arbeitgeber geltend machen. Wann eine solche Ausschlussklausel wirksam und damit auch anwendbar ist, hängt von vielen Faktoren ab und ist im Einzelfall zu prüfen.
Was ist eine Ausschlussfrist?
Viele Arbeitsverträge enthalten Ausschlussklauseln, welche vorsehen, dass Ansprüche zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern innerhalb einer in der Klausel festgelegten Zeit entweder außergerichtlich oder klageweise gegenüber der anderen Partei geltend zu machen sind. Anderenfalls verfallen sie ersatzlos. Dies betrifft auf Arbeitnehmerseite häufig ausstehende Lohnansprüche für geleistete Überstunden oder Ansprüche auf Urlaubsabgeltung. In der Regel sind Fristen in Ausschlussklauseln kürzer als die gesetzliche Regelverjährung von drei Jahren.
Warum Ausschlussfristen?
Ausschlussfristen können auch in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen enthalten sein. Sinn und Zweck der vereinbarten Ausschlussfristen ist klarzustellen, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nicht endlos bestehen und bereits vor Ablauf der Verjährungsfrist geltend zu machen sind. Dies soll zwischen den Arbeitsvertragsparteien Rechtssicherheit und einen gewissen Rechtsfrieden herstellen.
Welche Arten von Ausschlussfristen gibt es?
Es gibt einstufige und zweistufige Ausschlussfristen.
- Die einstufige Ausschlussfrist besagt, dass ein Anspruch innerhalb einer bestimmten Frist gegenüber der anderen Partei, angezeigt werden muss. Nach Ablauf dieser Frist sind die Ansprüche verfallen, verwirkt oder erloschen.
- Bei der zweistufigen Ausschlussfrist wird zusätzlich noch der Zeitraum festgelegt, in dem die eine Partei den Anspruch gerichtlich einklagen muss, falls der Anspruch von der anderen Partei abgelehnt wurde oder die andere Partei auf die außergerichtliche Geltendmachung nicht reagiert hat.
Es gibt aber auch gesetzliche Ausschlussfristen. Die wichtigsten Verfallfristen für Arbeitnehmer finden sich im Kündigungsschutzgesetz (KSchG) und in dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG).
- Für die Erhebung der Kündigungsschutzklage beträgt die Frist 3 Wochen gemäß § 4 KSchG. Nach Ablauf der Frist ist die ausgesprochene Kündigung wirksam.
- Schadenersatzansprüche nach § 15 AGG müssen sogar innerhalb von 2 Monaten schriftlich geltend gemacht werden, ansonsten verfallen die Ansprüche. In einer zweiten Stufe muss der Anspruch spätestens 3 Monate nach der schriftlichen Geltendmachung auch beim Arbeitsgericht eingeklagt werden, § 61 b ArbGG.
Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Arbeitgeber
Entschieden wurde bereits, dass Ausschlussfristen für beide Parteien, sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer, gelten muss. Die Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen muss ab Fälligkeit mindestens drei Monate betragen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass jede kürzere Frist zu einer unangemessenen Benachteiligung führt und damit unwirksam ist.
Ausschlussklauseln ohne Mindestlohn-Ausnahme sind unwirksam
Seit dem 01.01.2015 wurde der gesetzliche Mindestlohn deutschlandweit eingeführt, welcher bi Oktober 2022 12,00 € betragen soll.
Seither war umstritten, ob vom Arbeitgeber vorformulierte Ausschlussklauseln ausdrücklich klarstellen müssen, dass Ansprüche des Arbeitnehmers auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht von der Ausschlussklausel erfasst sind. Insbesondere bestand Uneinigkeit darüber, ob Ausschlussklauseln ohne Beschränkung auf den Mindestlohn dann insgesamt unwirksam sind.
Nunmehr hat das BAG eine Entscheidung mit weitreichenden Konsequenzen getroffen (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.09.2018, 9 AZR 162/18): Ausschlussklauseln ohne Ausnahme von Mindestlohn sind insgesamt unwirksam
Eine vom Arbeitgeber vorformulierte arbeitsvertragliche Verfallklausel, die ohne jede Einschränkung alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und damit auch den garantierten Mindestlohn erfasst, verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und ist insgesamt unwirksam, wenn der Arbeitsvertrag nach dem 31. Dezember 2014 geschlossen wurde. Die Unwirksamkeit der Ausschlussklausel hat damit zur Folge, dass Ansprüche noch innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist und damit wesentlich länger geltend gemacht werden können.
Eine wirksame Ausschlussklausel könnte daher hinsichtlich der Mindestlohnansprüche bspw. wie folgt formuliert werden:
"Diese Ausschlussfrist gilt nicht für Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz“.
Länger zurück liegende Ansprüche können unter Umständen trotz arbeitsvertraglicher Ausschlussklausel auch noch nach Ablauf der dort vereinbarten Frist geltend gemacht werden, wenn der Arbeitsvertrag nach dem 31.12.2014 geschlossen und der Mindestlohn nicht ausdrücklich vom Verfall ausgenommen wurde.
Ausschlussklauseln auf „Verfall aller Ansprüche“ sind nichtig
Eine arbeitsvertragliche Klausel, nach der alle Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb bestimmter Fristen geltend gemacht werden, ist nichtig, wenn sie Haftungsansprüche wegen Vorsatzes nicht explizit ausnimmt. Auf die Nichtigkeit kann sich auch der Arbeitgeber als Verwender der Klausel berufen (BAG, Urteil vom 26. November 2020 – 8 AZR 58/20).
Eine Ausschlussklausel, wonach ausnahmslos alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb bestimmter Fristen vom Arbeitnehmer oder Arbeitgeber geltend gemacht werden, ist wegen des Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB nach § 134 BGB nichtig.
- § 202 Abs. 1 BGB verbietet Vereinbarungen über die Verjährung und über Ausschlussfristen, die sich auf eine Vorsatzhaftung des Schädigers beziehen. Eine pauschale Ausschlussklausel erfasst alle wechselseitigen gesetzlichen und vertraglichen Ansprüche der Arbeitsvertragsparteien, also auch Schadensersatzansprüche wegen vorsätzlicher Vertragsverletzung und vorsätzlicher unerlaubter Handlung und ist nach der neuesten Rechtsprechung nichtig.
- Mangels Teilbarkeit entfällt die Ausschlussklausel insgesamt, wobei nur der Arbeitsvertrag im Übrigen aufrechterhalten bleibt (§ 306 Abs. 1 BGB). An die Stelle der Ausschlussklausel tritt die gesetzliche Regelung – die allgemeine Verjährungsfrist.
In welcher Form müssen die Ansprüche geltend gemacht werden?
In vielen Klauseln findet sich das Erfordernis, Ansprüche schriftlich geltend zu machen. Hier gilt es zu unterscheiden: In Formularverträgen kann die Schriftform zur Wahrung von Ausschlussfristen durch den Arbeitnehmer für ab dem 01.10.2016 geschlossene Verträge aufgrund von § 309 Nr. 13 BGB nicht mehr vereinbart werden – die Textform reicht aus.
Sonderfall: tarifliche Ausschlussfristen und Betriebsvereinbarungen
Viele Tarifverträge enthalten Ausschlussfristen. Diese sind oft kürzer und regeln in einigen Fällen eine Geltendmachungsfrist von einem bis zwei Monaten. Das ist rechtlich möglich! Tarifverträge sind gemäß § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB der AGB-Kontrolle ausgeschlossen. Grund ist, dass sich hier zwei gleichstarke Parteien – Gewerkschaft und Arbeitgebervertretung – gegenüberstanden und den Tarifvertrag ausgehandelt haben.
Die tarifliche Ausschlussfrist ist dann auf alle Ansprüche anwendbar, also auch einzelvertraglich vereinbarte Ansprüche. Die Ausschlussfrist in Betriebsvereinbarungen hingegen, findet nur Anwendung auf Ansprüche auf der Betriebsvereinbarung selbst. Dies kann und darf sich also nicht auf individuell vereinbarte Ansprüche erstrecken.
In Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen und durch Bezugnahme auf solche Kollektivregelungen ist es nach wie vor zulässig, das Schriftformerfordernis für die Wahrung von Ausschlussfristen vorzusehen. Die Regelung der § 309 Nr. 13 BGB findet hier keine Anwendung.
Viele Ausschlussklauseln sind unwirksam. In anderen Fällen kennen Arbeitnehmer die Ausschlussfrist nicht, weil denen die geltenden Tarifverträge nicht bekannt sind. Aus diesem Grund ist es immer ratsam, bei der Geltendmachung von Lohnansprüchen einen Fachanwalt für Arbeitsrecht rechtzeitig zu Rate zu ziehen.