Die heimliche Videoüberwachung am Arbeitsplatz ist in der Regel nicht zulässig. Die Kameras müssen nicht nur sichtbar sein, sondern die Arbeitnehmer müssen eindeutig über deren Zweck informiert werden und hierin schriftlich zustimmen.
Die Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind abzuwägen. Arbeitnehmern kann sogar eine finanzielle Entschädigung zustehen.
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Streitthema: Videoüberwachung am Arbeitsplatz
In der arbeitsrechtlichen Praxis stellt die Videoüberwachung am Arbeitsplatz immer häufiger ein Streitthema dar. Als Kanzlei für Arbeitsrecht haben wir oft zu klären, ob diese zulässig ist. Denn hier stehen die Interessen des Arbeitgebers, sein Eigentum zu schützen, dem Recht des Arbeitnehmers auf informationelle Selbstbestimmung gegenüber. Die Videoüberwachung in den Geschäfts- und Sozialräumen eines Betriebes stellt einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer dar. Es besteht die Gefahr, dass Arbeitgeber den Einsatz von Kameras nutzen, um seine Beschäftigten zu überwachen und nicht um ihr Eigentum zu schützen.
Wann darf der Arbeitgeber seine Geschäftsräume per Video überwachen?
Die Videoüberwachung stellt zunächst einen Grundrechtseingriff des betroffenen Arbeitnehmers dar. Hier: Das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG.
Zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes bedarf es regelmäßig einer ermächtigenden Rechtsnorm und einer Abwägung der einzelnen Interessen. Das heißt die Interessen des Arbeitnehmers auf sein geschütztes Persönlichkeitsrecht sind mit den Interessen des Arbeitgebers auf den Schutz seines Eigentums nach Art. 14 GG und der Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 GG abzuwägen. Zudem hat der Arbeitgeber die Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes zu beachten (§ 6b BDSG und §§ 32 bzw. 28 Abs. 1 und Abs. 2 BDSG).
So heißt es in § 6b Abs. 1 BDSG:
„Die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) ist nur zulässig, soweit sie zur
1. Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen,
2. Wahrnehmung des Hausrechts oder
3. zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke
erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.“
Soweit eine Videoüberwachung erfolgt, ist dies kenntlich zu machen. Es muss auch erkennbar sein, wer überwacht (z.B. beim Einsatz von Fremdfirmen). Die erhobenen Daten sind unverzüglich zu löschen, wenn der Zweck der Überwachung erreicht ist.
Videoüberwachung am Arbeitsplatz – Wo darf überwacht werden?
In öffentlichen Bereichen darf grundsätzlich überwacht werden. Hierzu zählen:
- Verkaufsräume von Autohäusern
- Supermärkten und Kleidungsgeschäften
- Parkplätze
- Tankstellen
- Parkhäuser
- Ausstellungsräume
Bereiche, die zu höchstpersönlichen Lebensbereichen zählen, dürfen grundsätzlich nicht videoüberwacht werden. So gehören die Sozialräume des Betriebes zu den höchstpersönlichen Lebensbereichen des Arbeitnehmers. Beispiele dafür sind:
- Toiletten
- Umkleideräume
- Schlafräume
- Pausenräume
- Sanitärräume
Wie erfolgt die Videoüberwachung?
Die Überwachung mit einer Kamera hat immer offen zu erfolgen. Bei dem Arbeitgeber handelt es sich um keine Strafverfolgungsbehörde, die eigene Ermittlungen anstellen kann und mal eben heimlich eine Kamera montieren darf. Die heimliche Videoüberwachung ist grundsätzlich unzulässig und entsprechend nur unter hohen Anforderungen möglich. So wäre die heimliche Überwachung am Arbeitsplatz ausnahmsweise zulässig, wenn ein konkreter Verdacht einer Straftat durch einen Arbeitnehmer besteht. Zudem müssten alle anderen milderen Mittel bereits ausgeschöpft worden sein.
In der Praxis gehen viele Arbeitgeber noch weiter und machen sich bei der Ermittlung eine Straftat durch den eigenen Arbeitnehmer selbst strafbar. Eine Videoüberwachung mit Ton ist verboten. Dennoch greifen einige Arbeitgeber zu solchen Mitteln. Es steht sogar unter Strafe das nicht öffentlich gesprochene Wort aufzuzeichnen. Gemäß § 301 StG droht dem Arbeitgeber eine Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren.
Sofern die Kamera über eine Audiofunktion verfügt, hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass diese unwiderruflich deaktiviert wird. Dabei ist nicht ausreichend, dass diese per Knopfdruck nach Bedarf abgestellt werden kann.
Zu welchem Zweck darf die Videoüberwachung erfolgen?
Wie bereits oben ausgeführt, muss die Videoüberwachung durch den Arbeitgeber grundsätzlich erforderlich sein. Diese muss dem Schutz vor Eingriffen von außen dienen und es darf kein gleich geeignetes, milderes Mittel vorhanden sein, um denselben Zweck zu erfüllen. Die Bildaufzeichnung ist also nur in Ausnahmefällen zulässig. Nur wenn das Interesse des Arbeitgebers bei der Abwägung gegenüber dem Interesse des Arbeitnehmers überwiegt, kann eine Kamera in den öffentlichen Räumen installiert werden. Dies ist dann der Fall, wenn schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers, zum Beispiel durch gegen ihn gerichtete Straftaten, schwer beeinträchtigt sind. So kann die vorübergehende und verdachtsabhängige Kontrollmaßnahme des Arbeitgebers zulässig sein, wenn ein konkreter Tatverdacht (z. B. Diebstahl, Unterschlagung) gegen eine Person oder Personengruppe vorliegt.
Ein Fall unzulässiger Überwachung
Die Videoüberwachung des Büros einer Filialleiterin ist nicht erforderlich, wenn die Tageseinnahmen durch kodierten Safe gesichert werden. Es besteht dann kein Bedürfnis mehr die übrigen (verdächtigen) Mitarbeiter flächenübergreifend zu beobachten. Der Arbeitgeber darf die Videoüberwachung also nicht dazu benutzen, das Arbeitsverhalten seiner Mitarbeiter zu kontrollieren. Dies ist wegen der Persönlichkeitsrechtsverletzung des Arbeitnehmers unzulässig. Auch in den bisherigen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) wurde die Zulässigkeit von Videoaufnahmen in öffentlich zugänglichen Verkaufsräumen als nicht erforderlich abgelehnt (vgl. BAG Urteile v. 29.06.2004 1 – ABR 21/03, BAG Urteile v. 27.03.2004 – 2 AZR 51/02, BAG Urteile v. 07.10.1987 -5 AZR 116/86 u. a.).
Weiterer Fall: Die Kassiererin
Möchte der Arbeitgeber dauerhaft eine Kamera im Kassenbereich installieren, muss er nachweisen, dass es keine andere Möglichkeit gibt, Missbrauch im Kassenbereich vorzubeugen. -in der Regel wird es einer Kassiererin schwerfallen, Geld aus der Kasse zu stehlen, wo die Kasse vor und nach Ihrer Arbeit auf Korrektheit gezählt wird. In der Praxis gibt es wenige Fälle, die eine Überwachung der Kassiererin rechtfertigen würden. Anders sieht es ggf. mit dem Verkaufsraum vor der Kasse aus, wo die Kamera aber nicht auf Mitarbeiter, sondern die Kunden gerichtet ist.
Ist der Betriebsrat bei einer Videoüberwachung am Arbeitsplatz zu beteiligen?
Beim Einsatz von Videokameras ist der Betriebsrat zu beteiligen. So heißt es in § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG: „Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen: Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen.“ Im Rahmen der Ausübung des Mitbestimmungsrechts haben Arbeitgeber sowie Betriebsrat das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer zu beachten (§ 75 Abs. 2 BetrVG).
Wie lange darf überwacht werden?
Hier ist die Gesetzeslage und Rechtsprechung sehr eindeutig: Die durch die Videoüberwachung gewonnenen Daten müssen nach Erreichung des verfolgten Zweckes gem. § 6 b V BDSP unverzüglich gelöscht werden. Eine rechtliche Frist besteht allerdings bislang nicht. Das OVG Lüneburg hat entschieden, dass eine Speicherdauer von 10 Tagen zulässig sein kann (11 LC 114/13).
Das wichtigste In Kürze: > Grundsätzlich ist die Videoüberwachung gemäß Datenschutz zulässig > Kennzeichnungspflicht bei der Videoüberwachung > heimliche Überwachung nur anlassbezogen und kurzfristig > Kameraüberwachung am Arbeitsplatz nur mit Einverständnis des Arbeitnehmers > Grundsätze des BDSG: Zweckgebundenheit, Freiwilligkeit, Informiertheit und Widerrufbarkeit
Grundsätzlich ist festzuhalten: Die Videoüberwachung ist per Gesetz nicht in jedem Fall untersagt! Im öffentlichen Raum etwa bedarf es der Abwägung zwischen den schutzwürdigen Interessen unbeteiligter Passanten und den Schutzinteressen von Bund, Ländern und Eigentümern. Sie ist durch § 6b BDSG gestattet. In nicht öffentlichen Bereichen des Betriebes hingegen gestaltet sich die Antwort auf die Frage nach der Zulässigkeit komplizierter.
Was kann ich als Arbeitnehmer gegen eine unzulässige Videoüberwachung tun?
Arbeitnehmer sind dem Arbeitgeber nicht schutzlos ausgeliefert. Sie haben eine Reihe von Rechten, die Sie im Besten Fall mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht durchsetzen. Wenn Arbeitnehmer den Verdacht haben, einer unzulässigen Videoüberwachung ausgesetzt zu sein, stehen folgende Möglichkeiten zur Verfügung.
- Der Beschäftigte kann sich direkt an den Datenschutzbeauftragten des Betriebes wenden. Sollte keiner vorhanden sein, so ist auch der Kontakt zum Datenschutzbeauftragten des Bundeslandes möglich, als öffentliche Überwachungsbehörde, ob datenschutzrechtliche Bestimmungen eingehalten werden.
- Alternativ kann sich der Mitarbeiter an den Betriebsrat wenden.
- Gibt es an Ihrem Arbeitsplatz weder einen Datenschutzbeauftragten noch einen Betriebsrat, kann je nach den Umständen des Einzelfalls die Möglichkeit eines Gesprächs mit dem Vorgesetzten wahrgenommen werden.
- Arbeitnehmer haben einen Auskunftsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber, welche Daten erhoben und gespeichert werden.
- Bei unzulässiger Videoüberwachung sollten Arbeitnehmer Ihren Arbeitgeber zur Unterlassung nach §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB auffordern und erforderlichenfalls mit einem Anwalt geltend machen.
Steht mir eine Entschädigung zu?
Oft erfahren Arbeitnehmer erst im laufenden Arbeitsverhältnis, dass diese videoüberwacht werden. Manchmal unterlässt der Arbeitgeber die Überwachung trotz Aufforderung nicht. Die Konsequenz: Arbeitnehmer haben einen Entschädigungsanspruch nach § 823 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Die Höhe der Entschädigung richtet sich nach Dauer und Schwere des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers.
Einige Entscheidungen hierzu:
2.000,00 € LAG Mecklenburg-Vorpommern (24.05.2019) Aktenzeichen 2 Sa 214/18
1.000,00 € LAG Hamm, Urteil vom 11.07.2013 - 11 Sa 312/13
1.250,00 € LAG Niedersachsen, Urteil vom 22.10.2021 - 16 Sa 761/20
Beweisverwertung bei Videoüberwachung am Arbeitsplatz
Ob ein Verstoß gegen derartige datenschutzrechtliche Vorgaben einer späteren gerichtlichen Verwertung der Aufnahmen als Beweismittel entgegensteht, war lange umstritten. In der vielbeachteten “Keylogger-Entscheidung” hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) ein solches Beweisverwertungsverbot angenommen, wenn bei einer Interessenabwägung das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen das Verwertungsinteresse des Beweisführers überwiege (Urt. v. 27.07.2017, Az. 2 AZR 681/16).
In einer Entscheidung des BAG vom 23.08.2018 (2 AZR 133/18) gab es kein Beweisverwertungsverbot:
In dem zu entscheidenden Fall betrieb der Arbeitgeber einen Tabak- und Zeitschriftenhandel mit angeschlossener Lottoannahmestelle. Zum Schutz seines Eigentums und der Aufdeckung von Straftaten ließ er seine Geschäftsräume mit Kameras überwachen. Die Arbeitnehmer wussten um die bestehende Überwachung, die neben den Geschäftsräumen auch Teile des Kassenbereiches und die dort tätigen Arbeitnehmer aufzeichneten. Jedoch überschritt der Arbeitgeber die oben genannte Löschpflicht von 10 Tagen um mehrere Monate.
Der Arbeitgeber stellte einen hohen Warenschwund fest und wertete ab August 2016 Videobänder aus Februar 2016 aus. Tatsächlich war eine Mitarbeiterin für den Warenschwund verantwortlich und wurde daraufhin fristlos gekündigt. Die Arbeitnehmerin setzte sich gegen die Kündigung zur Wehr. Mit Ihrer Kündigungsschutzklage kam sie bis zum LAG durch. Argument: Dem Arbeitgeber sei es verwehrt, sich auf die Auswertungsergebnisse der Videoaufnahmen zu berufen. Es bestehe nämlich vorliegend ein Beweisverwertungsverbot, das eine Berücksichtigung der Aufnahmen als Beweismittel verbiete. Da die Aufzeichnungen aus Februar 2016 erst rund ein halbes Jahr später ausgewertet worden seien, habe der Arbeitgeber eklatant gegen die in § 6 b Abs. 5 BDSG (a.F.) vorgesehene Löschfrist verstoßen. Eine Einsicht rund ein halbes Jahr sei nicht mehr “unverzüglich”. Allein dieser Verstoß begründe aufgrund des intensiven Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht ein Beweisverwertungsverbot.
Das BAG sah das anders und entschied: „Auch ältere Aufnahmen verwertbar“
Die Speicherung der Aufnahmen aus einer rechtmäßigen offenen Videoüberwachung, die vorsätzliche Handlungen eines Arbeitnehmers zulasten des Eigentums des Arbeitgebers zeigten, werde nicht durch bloßen Zeitablauf unverhältnismäßig. Solange die Ahndung der Pflichtverletzung durch den Arbeitgeber arbeitsrechtlich möglich sei, dürfe der Arbeitgeber die rechtmäßig aufgenommenen Bilder auch verwerten.
Ein Arbeitgeber müsse also das gewonnene Bildmaterial nicht sofort auswerten. Er dürfe vielmehr warten, bis er dafür einen berechtigten Anlass sehe.
Auch wenn die Entscheidung noch zum “alten” Datenschutzrecht ergangen ist: Ihre Grundsätze lassen sich auch auf die aktuell unter DSGVO und “neuem” BDSG übertragen. Sollten auch Sie von Ihren Arbeitgeber überwacht werden, lassen Sie sich anwaltlich bearten. Gerade dann, wenn eine Kündigung auf einen Videobeweis gestützt wird, sollten Sie einen Fachanwalt für Arbeitsrecht zur Hilfe nehmen.