In Betrieben ab fünf Arbeitnehmern wählen Beschäftigte Betriebsräte. So steht es im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Dieser Blogbeitrag soll Einblick in die Geschichte des Betriebsrates geben und die wichtigsten Rechte zusammenfassen. In diesem Blogbeitrag erhaltet Ihr die wichtigsten Informationen. Für Fragen kontaktiert unsere Anwälte für Arbeitsrecht in Nürnberg auch gerne direkt.
Der Betriebsrat – Die Geschichte
Mit Inkrafttreten des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes am 01. Juni 2021 erfolgten diverse Änderungen im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes zugunsten der Betriebsräte. Mittlerweile erkennt der Gesetzgeber die Bedeutung von Betriebsräten für das Wohlbefinden und die Zufriedenheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, denn ein Betriebsrat bewirkt die Einbeziehung der Arbeitnehmenden in betriebliche Entscheidungen, die sie unmittelbar betreffen. Dementsprechend werden die Gründung und das Tätigwerden von Betriebsräten gesetzlich gefördert.
Vor rund 100 Jahren war dies jedoch noch keine Selbstverständlichkeit, denn die Verabschiedung des Betriebsrätegesetzes am 4. Februar 1920 erfolgte erst als Reaktion auf hartnäckige Arbeitnehmer – und Gewerkschaftsstreiks.
Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), wie wir es heute kennen, trat erst am 14. November 1952 in Kraft und wurde mit Wirkung zum 18. Januar 1972 grundlegend novelliert. Seitdem wird es regelmäßig angepasst und optimiert. Trotz dessen, dass die Störung des Errichtungsprozesses eines Betriebsrats im Wege des § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unter Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe steht, haben diese in den letzten Jahren erheblich an Häufigkeit zugenommen. Dieser Umstand hat den Gesetzgeber zur Verabschiedung des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes bewegt, mithilfe dessen die Entstehung von Betriebsräten weiter vereinfacht und deren Rechte ausgeweitet werden sollen, um einen umfangreicheren Schutz gewährleisten zu können.
Vorteile des Bestehens eines Betriebsrat
Ein Betriebsrat setzt sich zusammen aus einem oder mehreren Betriebsratsmitgliedern, die die Belegschaft eines Betriebs, Unternehmens oder Konzerns unter sich wählen, und bildet damit die Arbeitnehmer*innenvertretung gegenüber dem gemeinsamen Arbeitgeber. Das Bestehen eines Betriebsrats zahlt sich aus: Statistisch gesehen erhalten Arbeitnehmende eines Betriebs mit Betriebsrat höhere (Ausbildungs-)Gehälter, ihre Arbeitsplätze sind gesicherter und sie genießen bessere Arbeitsbedingungen, unter anderem mehr Urlaub, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und mehr Rechte durch mit dem Arbeitgeber ausgehandelte Betriebsvereinbarungen.
Ein großer Pluspunkt ist die stetige Einbindung und Unterrichtung der Arbeitnehmenden in sie unmittelbar betreffende Abläufe und Gegebenheiten des Unternehmens, sodass Arbeitgebende beispielsweise dazu verpflichtet sind, den Betriebsrat über die wirtschaftliche Lage des Betriebs in Kenntnis zu setzen, was den Betriebsrat dazu befähigt, rechtzeitig eine Vorgehensweise zur Arbeitsplatzsicherung aufzustellen. Damit hat ein Betriebsrat viele Vorteile zu bieten, sodass eine Gründung bei Vorliegen der Voraussetzungen immer in Betracht gezogen werden sollte.
Gründung eines Betriebsrat
Laut § 1 Abs. 1 des BetrVG kann in Betrieben mit im Durchschnitt mindestens fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmenden, von denen drei wählbar sind, ein Betriebsrat errichtet werden. Dies gilt entsprechend auch für Unternehmen und Konzerne. Wahlberechtigt nach § 7 BetrVG sind dabei alle Arbeitnehmenden, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, unabhängig vom Beschäftigungsverhältnis. Handelt es sich um Leiharbeitende, kommt das Erfordernis hinzu, mindestens drei Monate im Betrieb tätig gewesen zu sein. Die Wählbarkeit regelt § 8 BetrVG, welcher die Vollendung des 18. Lebensjahres sowie eine Betriebszugehörigkeit für die Dauer von mindestens sechs Monaten fordert. Aus wie vielen Mitgliedern der Betriebsrat besteht, wird in § 9 BetrVG aufgezählt.
Beginnend bei einem Mitglied in Betrieben mit fünf bis 20 wahlberechtigten Arbeitnehmenden steigt die Anzahl auf 35 Mitglieder bei 7.001 bis 9.000 Arbeitnehmenden. Bei größeren Betrieben wächst der Betriebsrat um zwei Mitglieder je angefangene weitere 3.000 Arbeitnehmende. Einzelne Betriebsratsmitglieder werden gem. § 38 BetrVG freigestellt, d.h. während ihrer Amtszeit vollständig von ihrer beruflichen Tätigkeit befreit, um sich umfassend auf die Angelegenheiten des Betriebsrats fokussieren zu können. Wie viele Freistellungen erfolgen, hängt von der Anzahl der Mitarbeitenden im Betrieb ab.
Existiert in einem Betrieb noch kein Betriebsrat, so kann jederzeit gewählt werden
Ab dem Zeitpunkt der Errichtung wird alle vier Jahre jeweils im Zeitraum vom 1. März bis zum 30. Mai eine neue Besetzung gewählt. Für die Wahl gelten die Festsetzungen des § 14 BetrVG sowie in Kleinbetrieben die des § 14a BetrVG, der das vereinfachte Wahlverfahren regelt. Ein Kleinbetrieb liegt vor bei durchschnittlich fünf bis 100 wahlberechtigten Arbeitnehmenden, sodass § 14a BetrVG bereits kraft Gesetzes gilt. In größeren Betrieben hingegen mit bis zu 200 wahlberechtigten Arbeitnehmenden kann zwischen Wahlvorstand und Arbeitgeber die Anwendung des vereinfachten Wahlverfahrens vereinbart werden.
Das vereinfachte Wahlverfahren
Kennzeichnend für das vereinfachte Wahlverfahren ist zunächst, dass nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl entschieden wird, d.h. die Arbeitnehmenden erteilen ihre Stimme einem konkreten Kandidaten. Ansonsten erfolgt die Wahl nämlich im Wege der Verhältniswahl, die sich dadurch unterscheidet, dass die Stimme für eine Liste von vorgeschlagenen Wahlbewerber*innen abgegeben wird und anschließend nach dem prozentualen Ergebnis bestimmt wird, wie viele Listenplätze in den Betriebsrat einziehen.
Ein weiterer Vorteil des vereinfachten Wahlverfahrens ist das erleichterte Vorbringen von Wahlvorschlägen sowohl hinsichtlich der Form als auch des Zeitraums, sodass Wahlvorschläge in der Regel auch noch bis zum Ende der Wahlversammlung möglich sind und in diesem Fall das Schriftformerfordernis entfällt.
Ab welchem Alter bin ich wahlberechtigt?
Aber nicht nur das vereinfachte Wahlverfahren wurde im Wege des Betriebsrätemodernisierungsgesetz von 2021 optimiert, indem die Grenze der Summe der wahlberechtigten Arbeitnehmenden, um als Kleinbetrieb zu gelten, von ursprünglich 50 auf 100 angehoben und damit der Anwendungsbereich des § 14a BetrVG erweitert wurde. Darüber hinaus wurde das Mindestalter, um als wahlberechtigt zu gelten, von 18 auf 16 Jahre herabgesetzt, sodass die erforderliche Anzahl an wahlberechtigten Arbeitnehmern, um einen Betriebsrat errichten zu können, einfacher zu erreichen ist.
Ebenso wurde der Kündigungsschutz für unter anderem Betriebsratsmitglieder mit Einführung des § 103 Abs. 2a BetrVG erweitert, sodass ehemalige Mitglieder sogar dann erfasst sind, wenn kein Betriebsrat mehr besteht. Ziel des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes ist es, die Gründung von Betriebsräten zu vereinfachen, da diese bedeutsamen Aufgaben zum Vorteil der Arbeitnehmer eines Betriebs übernehmen.
Aufgaben, Rechte und Pflichten des Betriebsrat
Im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ist geregelt, welche Aufgaben, Rechte und Pflichten der Betriebsrat hat. Sein Ziel ist es dabei immer, die Interessen der Arbeitnehmenden gegenüber dem Arbeitgeber zu vertreten.
Der Betriebsrat hat die allgemeine Obliegenheit, die Interessen und Rechte der Arbeitnehmenden gegenüber dem Arbeitgeber zu vertreten und zu verwirklichen. Die einzelnen Aufgaben, die dies gewährleisten, sind in § 80 BetrVG aufgezählt. Dazu gehört beispielsweise darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmenden geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen umgesetzt werden. Des Weiteren ist der Betriebsrat dafür zuständig, die Gleichstellung von Frauen und Männern, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Beschäftigung besonders für ältere sowie die Integration von ausländischen oder behinderten Arbeitnehmenden zu fördern. Aber auch der einzelnen Arbeitnehmerin oder dem einzelnen Arbeitnehmer steht der Betriebsrat unterstützend zur Seite: So ist der Betriebsrat die Anlaufstelle, sobald eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer Fragen zum Arbeitsvertrag haben oder vermuten, dass sie zu wenig Gehalt erhalten. Auch wenn es um Mobbingvorwürfe geht, können sich Betroffene an den Betriebsrat wenden.
Damit die Qualität der Ausführung der Aufgaben gewährleistet ist, haben die Betriebsratsmitglieder einen Anspruch auf Fortbildungen und Schulungen zu diesem Zweck. Die dafür sowie generell für die Tätigkeit des Betriebsrats anfallenden Kosten trägt der Arbeitgeber, § 40 Abs. 1 BetrVG.
Rechte eines Betriebsrat
Der Betriebsrat ist vom Gesetz mit speziellen Rechten bedacht und steht dadurch unter einem besonderen Schutz. So hat er viel mehr Möglichkeiten als einzelne Arbeitnehmer*innen, um die Angelegenheiten der Belegschaft gegenüber dem Arbeitgeber zu vertreten und deren Ziele auch tatsächlich zu erreichen. Außerdem kann der Betriebsrat im Rahmen seiner Befugnisse die Belegschaft vor willkürlichen Unternehmensentscheidungen schützen.
Beteiligungsrechte
Im Rahmen der Aufgaben ist eine wichtige Unterscheidung zu beachten: Einerseits stehen dem Betriebsrat Informations-, Mitsprache-, Anhörungs- und Beratungsrechte zu, bei denen die Entscheidungsbefugnis allein beim Arbeitgeber liegt. So muss der Arbeitgeber den Betriebsrat unter anderem entsprechend § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG über alle für die Erfüllung der Aufgaben relevanten Gegebenheiten im Betrieb informieren oder den Betriebsrat in bestimmten Fällen anhören. In der Praxis wird die Anhörung besonders vor geplanten Kündigungen relevant. Wird der Betriebsrat nicht angehört, so ist die Kündigung schon deshalb unwirksam, § 102 BetrVG. Dennoch verbleibt die Entscheidungsbefugnis in diesen Fällen ausschließlich beim Arbeitgeber.
Mitwirkungsrecht
Der Betriebsrat darf bei den folgenden Entscheidungen des Arbeitgebers mitwirken:
- Soziale Angelegenheiten
- Personelle Angelegenheiten
- Wirtschaftliche Angelegenheiten
- Arbeits- und Umweltschutz
- Arbeitsplatzgestaltung
- Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung
Die einzelnen sog. echten Mitbestimmungsrechte sind unter anderem festgesetzt in § 87 BetrVG. So hat der Betriebsrat zum Beispiel bei Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmenden im Betrieb mitzubestimmen, aber auch im Hinblick auf Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit inklusive Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. Auch bei Entscheidungen in Bezug auf Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte wirkt der Betriebsrat mit.
Aufgrund dessen, dass Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam entscheiden müssen, entstehen schnell Uneinigkeiten, die eine Kompromissfindung zwischen den Parteien erschweren und gelegentlich ohne Hilfe von außen gänzlich verhindern. In solchen Fällen ist gem. § 76 Abs. 1 BetrVG eine sog. Einigungsstelle zu bilden. Diese Einigungsstelle besteht aus einer gleichen Anzahl von Beisitzern, die vom Arbeitgeber und Betriebsrat bestellt werden, und einem unparteiischen Vorsitzenden, auf dessen Person sich beide Seiten einigen müssen. Die Entscheidung der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
An dieser Stelle ist eines der stärksten Mitbestimmungsrechte hervorzuheben, nämlich das des § 99 BetrVG, im Rahmen dessen der Betriebsrat seine Zustimmung zu personellen Einzelmaßnahmen wie Versetzungen oder Neueinstellungen abgeben muss. Verweigert er seine Zustimmung, kann diese nur durch gerichtlichen Beschluss ersetzt werden.
Betriebsratsmitglied – Konfliktpotential mit dem Arbeitgeber
Die Tätigkeit als Betriebsratsmitglied hat, wie sich aus den Aufgaben ergibt, erhebliches Konfliktpotential mit dem Arbeitgeber, sodass ein besonderer Kündigungsschutz erforderlich ist, insbesondere um dem Arbeitgeber das Druckmittel der Kündigungsandrohung zu nehmen. § 15 Abs. 1 KSchG lässt deshalb eine ordentliche Kündigung von Betriebsratsmitgliedern nur in Ausnahmefällen zu. Außerordentliche Kündigungen aus wichtigem Grund bleiben zwar weiterhin möglich, jedoch erfordern diese die Zustimmung des Betriebsrats im Sinne des § 103 BetrVG, die nur durch das Arbeitsgericht auf Antrag des Arbeitgebers ersetzt werden kann. Im Übrigen bedarf auch eine Versetzung ohne Einverständnis des betroffenen Betriebsratsmitglieds der Zustimmung des Betriebsrats, § 103 Abs. 3 BetrVG.
Fazit:
Zum Zweck der Förderung der Gründung von Betriebsräten wurde der Errichtungsprozess im Wege des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes zunehmend vereinfacht. Besteht in Ihrem Betrieb also noch kein Betriebsrat, so sollte die Gründung eines solchen vor dem Hintergrund der zahlreichen Vorteile zugunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die die Existenz eines Betriebsrats mit sich bringt, in Betracht gezogen werden.