Kündigung nach Videoüberwachung am Arbeitsplatz - Anwalt Arbeitsrecht Nürnberg

Kündigung nach Videoüberwachung am Arbeitsplatz, ist das rechtens?

Kündigung nach Videoüberwachung am Arbeitsplatz, ist das rechtens?

Zum Thema Videoüberwachung am Arbeitsplatz gibt es viel Streit. Nicht nur zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, sondern auch durch die Instanzen. Ob eine Videoüberwachung grundsätzlich zulässig ist, haben wir bereits in unserem Beitrag „Videoüberwachung am Arbeitsplatz immer zulässig?“ erklärt. In unserem neuesten Blogbeitrag möchten wir euch erklären, ob die Erkenntnisse einer Videoüberwachung im Prozess um die darauffolgende Kündigung verwertet werden dürfen.

Das Bundesarbeitsgericht hatte erst im Juni dieses Jahres einen Fall zu entscheiden, indem es um die Frage ging: Kann eine gegen Datenschutzregeln verstoßende Videoüberwachung des Arbeitsplatzes zur Dokumentation eines Fehlverhaltens im Kündigungsschutzprozess verwertet werden – oder gilt zugunsten des Arbeitnehmers ein Beweisverwertungsverbot?

Kündigung nach Videoüberwachung am Arbeitsplatz - Der Ausgangsfall

Ein in einer Gießerei beschäftigter Arbeitnehmer soll vor Schichtbeginn das Werksgelände wieder verlassen und später trotzdem Lohn für die Schicht erhalten haben. Dabei handelt es sich um einen schweren, sogar strafrechtlich relevanten Vorwurf, der zur sofortigen Kündigung berechtigen könnte – einen Lohnbetrug. Das hatte zumindest der Arbeitgeber so gesehen und dem Arbeitnehmer fristlos, hilfsweise ordentlich, gekündigt. Ein anonymer Hinweis hatte den Arbeitgeber auf ein Video einer am Tor des Geländes angebrachten Überwachungskamera gestoßen, welches den vorzeitigen Feierabend des Mannes belegen sollte.

Die Problemlage

Vorliegend hat der Arbeitgeber den Arbeitsplatz mit Kameras überwachen lassen und durch Schilder darauf hingewiesen, dass eine Videoüberwachung erfolgt. Problematisch war jedoch, dass die Aufzeichnungen zu lange gespeichert wurden und die Überwachung dadurch gegen Bundes- und EU-Datenschutzrecht verstößt. Des Weiteren bestand eine Betriebsvereinbarung, wonach die Videoaufzeichnung nicht zur Auswertung personenbezogener Daten verwendet werden dürfte.

Entscheidung des Arbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts

Aus den Verstößen gegen das Datenschutzgesetz sowie der Betriebsvereinbarung folgerte der Arbeitnehmer, dass die Aufzeichnungen im Kündigungsschutzprozess einem Verwertungsverbot unterlägen. Der Arbeitgeber hätte so den Betrug nicht aufdecken können. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht Niedersachsen schlossen sich dieser Auffassung an und gaben der Kündigungsschutzklage statt (LAG Niedersachsen Urt. v. 06.07.2022, Az. 8 Sa 1149/20).

Kündigung nach Videoüberwachung am Arbeitsplatz - Das BAG entschied anders

Das Bundesarbeitsgericht teilte die Rechtsauffassung der ersten und zweiten Instanz nicht und hob die Entscheidung des LAG Niedersachsen auf und verwies den Fall an das LAG zur erneuten Entscheidung zurück. Aber Warum?

Laut BAG spiele es “keine Rolle, ob die Überwachung in jeder Hinsicht den Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes bzw. der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) entsprach”, heißt es in einer Pressemitteilung des BAG. Einer Verwertung der personenbezogenen Daten des Arbeitnehmers durch die Gerichte für Arbeitssachen stehe die DSGVO nicht entgegen. Das gelte jedenfalls dann, wenn – wie hier – ein vorsätzliches Fehlverhalten in Rede stehe und die Videokamera durch ein Schild ausgewiesen “und auch sonst nicht zu übersehen” sei.

Nach Auffassung des BAG führt ein möglicher Datenschutzverstoß nicht automatisch zum Beweisverwertungsverbot. Vielmehr müsse das Tatsachengericht (hier das LAG Niedersachsen) die widerstreitenden Interessen abwägen. Im Prozess um eine fristlose Kündigung wegen eines vorsätzlichen Fehlverhaltens wiegt das Interesse des Arbeitgebers an der Aufklärung des Sachverhalts wohl höher als die Datenschutzinteressen des Arbeitnehmers. Dies sei nur dann nicht der Fall, “wenn die offene Überwachungsmaßnahme eine schwerwiegende Grundrechtsverletzung darstellt. Das war vorliegend nicht der Fall”, so die Pressemitteilung des BAG.

Kündigung nach heimlicher Videoüberwachung am Arbeitsplatz

Anders entschied 2013 das BAG zu einem anderen Fall der Videoüberwachung am Arbeitsplatz: Eine Arbeitnehmerin wird von einer Überwachungskamera des Arbeitgebers heimlich dabei gefilmt, wie sie am Arbeitsplatz Firmeneigentum entwendet und wird deshalb vom Arbeitgeber fristlos gekündigt. Dagegen legt sie Kündigungsschutzklage ein – mit Erfolg, denn das Gericht entscheidet, dass die Videoüberwachung am Arbeitsplatz unzulässig war, sodass die dadurch erlangten Beweise im Prozess nicht gegen sie verwendet werden dürfen. Der Grund: Es hätten mildere Mittel ausgereicht, um den Diebstahl aufzudecken. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG, Urteil vom 21.11.2013 – 2 AZR 797/11) ist eine heimliche Videoüberwachung am Arbeitsplatz nur dann gestattet, wenn gegen den jeweiligen Arbeitnehmer ein hinreichender Verdacht einer Straftat besteht. Das bedeutet: Vage Vermutungen rechtfertigen keine heimliche Videoüberwachung am Arbeitsplatz.

Dieser Fall veranschaulicht die überragende Bedeutung des Datenschutzes und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Rahmen der deutschen Rechtsordnung und demonstriert, dass ein Eingriff in diese Rechte nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen erfolgen kann. Andernfalls droht dem Arbeitgeber wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen gemäß § 201a StGB eine Freiheits- oder Geldstrafe. Unter welchen Umständen in die Rechte des Arbeitnehmers eingegriffen werden kann bzw. ein solcher Eingriff unzulässig ist, wird nachfolgend dargelegt:

1. Kollidierendes Verfassungsrecht

Im Hinblick auf die Videoüberwachung am Arbeitsplatz treffen zwei Grundrechtspositionen aufeinander, nämlich einerseits das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers in der Ausprägung der informationellen Selbstbestimmung, die auch das Recht am eigenen Bild erfasst. Dabei ist nicht einmal relevant, ob eine Aufzeichnung tatsächlich stattfindet oder es sich lediglich um Kamera-Attrappen handelt, denn es kommt maßgeblich auf die subjektive Empfindung des Betroffenen an, ob sich dieser beobachtet fühlt, da dies bereits ausreichend ist, um eine Einschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anzunehmen.

Zugunsten des Arbeitgebers streitet andererseits sein Eigentumsrecht in Bezug auf den Schutz des Firmeneigentums sowie seine Berufsausübungsfreiheit, wenn ein Arbeitnehmer verdächtigt wird, die Arbeitszeiten und Pausenregelungen nicht einzuhalten.

Grundsätzlich muss die Rechtfertigung für die Beschneidung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hohen Anforderungen gerecht werden, denn hierbei schwingt die Menschenwürde mit, in die aufgrund ihrer Unantastbarkeit nicht eingegriffen werden kann. Insbesondere die Videoüberwachung am Arbeitsplatz stellt einen gravierenden Eingriff dar und ist nur unter bestimmten Umständen zulässig.

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2. Zulässige und unzulässige Eingriffe

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Zuvorderst sind die Betroffenen immer von der Videoüberwachung in Kenntnis zu setzen, wobei eine Ausnahme hiervon strikten Voraussetzungen gerecht werden muss. Nicht erlaubt, sondern vielmehr strafbar nach § 201 StGB sind Videoaufnahmen mit Tonaufzeichnungen, denn persönliche Gespräche, insbesondere unter Kollegen, unterliegen als Teil der Privatsphäre der Vertraulichkeit des Wortes.
Entscheidend für die Rechtmäßigkeit ist, welchen Zweck die Videoüberwachung verfolgen soll und ob eine solche für diesen Zweck überhaupt erforderlich ist. Versprechen nämlich mildere, das heißt weniger invasive Mittel denselben Erfolg, sind diese vorrangig einzusetzen. Im Rahmen der Beurteilung der Erforderlichkeit des Zwecks wird differenziert zwischen öffentlich und nicht öffentlich zugänglichen Bereichen am Arbeitsplatz.

Gemäß § 4 BDSG ist die Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Bereiche insbesondere zulässig zur Wahrnehmung des Hausrechts oder zum Zweck, berechtigte Interessen zu wahren, solange keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der betroffenen Personen überwiegen. Auch die Abwehr von Gefahren oder die Aufklärung einer Straftat bei konkretem Verdacht begründen legitime Zwecke.

Nicht öffentlich zugängliche Räume hingegen, in denen sich Arbeitnehmer unbeobachtet fühlen (dürfen) und sich entsprechend privat verhalten, werden dem höchstpersönlichen Lebensbereich zugeordnet als Teil der Intimsphäre, die wiederum von der unantastbaren Menschenwürde erfasst wird, sodass zum Beispiel in Sanitäranlagen, Umkleiden und Schlafräumen eine Videoüberwachung unter keinen Umständen stattfinden darf. Ist der höchstpersönliche Lebensbereich dagegen nicht betroffen, so ist für die Zulässigkeit einer Videoüberwachung die Abgabe eines freiwilligen und widerrufbaren Einverständnisses aller Betroffenen sowie die Unterrichtung über den Zweck der Überwachung notwendig, so § 51 BDSG. 
Schließlich dürfen die gemachten Aufnahmen nicht für einen zeitlich unbegrenzten Zeitraum gespeichert werden. Vielmehr sind die Aufzeichnungen unverzüglich zu löschen, sobald der damit verfolgte Zweck erreicht wurde. Eine pauschale zeitliche Grenze existiert hierbei allerdings nicht.

Unser Tipp für Arbeitnehmer:

Befürchtet ein Arbeitnehmer, dass er einer unzulässigen Videoüberwachung durch den Arbeitgeber ausgesetzt ist, so empfiehlt es sich, den Rat eines Fachanwalts für Arbeitsrecht einzuholen, um sich gegen den Eingriff in die eigenen Rechte effektiv und erfolgreich wehren zu können.

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