Kündigung nach Videoüberwachung am Arbeitsplatz?

Videoüberwachung am Arbeitsplatz

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August 22, 2023

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Zum Thema Videoüberwachung am Arbeitsplatz gibt es viel Streit. Nicht nur zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, sondern auch durch die Instanzen. Ob eine Videoüberwachung grundsätzlich zulässig bzw. rechtens ist, haben wir bereits in unserem Beitrag Videoüberwachung am Arbeitsplatz immer zulässig?“ erklärt. In unserem neuesten Blogbeitrag möchten wir euch erklären, ob die Erkenntnisse einer Videoüberwachung im Prozess um die darauffolgende Kündigung nach heimlicher Videoüberwachung verwertet werden dürfen.

Das Bundesarbeitsgericht hatte erst im Juni dieses Jahres einen Fall zu entscheiden, indem es um die Frage ging: Kann eine gegen Datenschutzregeln verstoßende Videoüberwachung des Arbeitsplatzes zur Dokumentation eines Fehlverhaltens im Kündigungsschutzprozess verwertet werden – oder gilt zugunsten des Arbeitnehmers ein Beweisverwertungsverbot?

Kündigung nach heimlicher Videoüberwachung am Arbeitsplatz – Der Ausgangsfall

Ein in einer Gießerei beschäftigter Arbeitnehmer soll vor Schichtbeginn das Werksgelände wieder verlassen und später trotzdem Lohn für die Schicht erhalten haben. Dabei handelt es sich um einen schweren, sogar strafrechtlich relevanten Vorwurf, der zur sofortigen Kündigung berechtigen könnte – einen Lohnbetrug. Das hatte zumindest der Arbeitgeber so gesehen und dem Arbeitnehmer fristlos, hilfsweise ordentlich, gekündigt. Ein anonymer Hinweis hatte den Arbeitgeber auf ein Video einer am Tor des Geländes angebrachten Überwachungskamera gestoßen, welches den vorzeitigen Feierabend des Mannes belegen sollte.

Die Problemlage

Vorliegend hat der Arbeitgeber den Arbeitsplatz mit Kameras überwachen lassen und durch Schilder darauf hingewiesen, dass eine Videoüberwachung erfolgt. Problematisch war jedoch, dass die Aufzeichnungen zu lange gespeichert wurden und die Überwachung dadurch gegen Bundes- und EU-Datenschutzrecht verstößt. Des Weiteren bestand eine Betriebsvereinbarung, wonach die Videoaufzeichnung nicht zur Auswertung personenbezogener Daten verwendet werden dürfte.

Entscheidung des Arbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts

Aus den Verstößen gegen das Datenschutzgesetz sowie der Betriebsvereinbarung folgerte der Arbeitnehmer, dass die Aufzeichnungen im Kündigungsschutzprozess einem Verwertungsverbot unterlägen. Der Arbeitgeber hätte so den Betrug nicht aufdecken können. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht Niedersachsen schlossen sich dieser Auffassung an und gaben der Kündigungsschutzklage statt (LAG Niedersachsen Urt. v. 06.07.2022, Az. 8 Sa 1149/20).

Kündigung nach Videoüberwachung am Arbeitsplatz – Das BAG entschied anders

BAG hob LAG-Entscheidung auf: Datenschutzverstoß führt nicht automatisch zum Beweisverwertungsverbot

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die Entscheidung des LAG Niedersachsen in einem Kündigungsschutzprozess aufgehoben. Das BAG teilte die Rechtsauffassung der ersten und zweiten Instanz nicht.

Laut BAG spielt es keine Rolle, ob die Videoüberwachung den Vorgaben des Datenschutzrechts entsprach. Auch wenn die Überwachung nicht datenschutzkonform war, kann sie als Beweismittel im Kündigungsschutzprozess verwertet werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer vorsätzlich ein Fehlverhalten begangen hat und die Videokamera deutlich sichtbar war.

Das BAG betont, dass ein möglicher Datenschutzverstoß nicht automatisch zum Beweisverwertungsverbot führt. Vielmehr muss das Gericht die widerstreitenden Interessen abwägen. Im Fall einer fristlosen Kündigung wegen eines vorsätzlichen Fehlverhaltens wiegt das Interesse des Arbeitgebers an der Aufklärung des Sachverhalts in der Regel schwerer als das Datenschutzinteresse des Arbeitnehmers. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Überwachung eine schwerwiegende Grundrechtsverletzung darstellt. Dies war im vorliegenden Fall nicht der Fall.

Kündigung nach heimlicher Videoüberwachung

Kündigung nach heimlicher Videoüberwachung am Arbeitsplatz

2013 entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem anderen Fall der Videoüberwachung am Arbeitsplatz anders. Eine Arbeitnehmerin wurde von einer Überwachungskamera ihres Arbeitgebers heimlich dabei gefilmt, wie sie am Arbeitsplatz Firmeneigentum entwendete. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber ihr fristlos. Die Arbeitnehmerin klagte dagegen und hatte Erfolg. Das Gericht entschied, dass die Videoüberwachung am Arbeitsplatz unzulässig war und die dadurch gewonnenen Beweise im Prozess nicht gegen sie verwendet werden dürfen. Der Grund: Es hätte mildere Mittel ausgereicht, um den Diebstahl aufzudecken.

Nach der Rechtsprechung des BAG ist eine heimliche Videoüberwachung am Arbeitsplatz nur dann gestattet, wenn gegen den jeweiligen Arbeitnehmer ein hinreichender Verdacht einer Straftat besteht. Vage Vermutungen rechtfertigen keine heimliche Videoüberwachung am Arbeitsplatz.

Dieser Fall veranschaulicht die überragende Bedeutung des Datenschutzes und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Rahmen der deutschen Rechtsordnung. Ein Eingriff in diese Rechte ist nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen zulässig. Andernfalls droht dem Arbeitgeber eine Freiheits- oder Geldstrafe. Unter welchen Umständen in die Rechte des Arbeitnehmers eingegriffen werden kann bzw. ein solcher Eingriff unzulässig ist, wird nachfolgend dargelegt:

1. Kollidierendes Verfassungsrecht

Videoüberwachung am Arbeitsplatz: Grundrechte im Konflikt

Die Videoüberwachung am Arbeitsplatz ist ein Konflikt zwischen zwei Grundrechten: dem Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers und dem Eigentumsrecht und der Berufsausübungsfreiheit des Arbeitgebers.

Das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers umfasst auch das Recht am eigenen Bild. Entscheidend ist nicht, ob eine Aufzeichnung tatsächlich stattfindet, sondern ob sich der Arbeitnehmer beobachtet fühlt. Das kann auch durch Kamera-Attrappen der Fall sein.

Das Eigentumsrecht des Arbeitgebers schützt das Firmeneigentum. Die Berufsausübungsfreiheit des Arbeitgebers kann durch Arbeitszeitverstöße des Arbeitnehmers beeinträchtigt werden.

Die Rechtfertigung für eine Beschneidung des Persönlichkeitsrechts ist schwierig. Denn das Persönlichkeitsrecht ist ein hohes Gut, das die Menschenwürde schützt. Die Videoüberwachung am Arbeitsplatz ist ein gravierender Eingriff und ist nur unter bestimmten Umständen zulässig.

2. Zulässige und unzulässige Eingriffe

Zuvorderst sind die Betroffenen immer von der Videoüberwachung in Kenntnis zu setzen, wobei eine Ausnahme hiervon strikten Voraussetzungen gerecht werden muss. Nicht erlaubt, sondern vielmehr strafbar nach § 201 StGB sind Videoaufnahmen mit Tonaufzeichnungen, denn persönliche Gespräche, insbesondere unter Kollegen, unterliegen als Teil der Privatsphäre der Vertraulichkeit des Wortes.
Entscheidend für die Rechtmäßigkeit ist, welchen Zweck die Videoüberwachung verfolgen soll und ob eine solche für diesen Zweck überhaupt erforderlich ist. Versprechen nämlich mildere, das heißt weniger invasive Mittel denselben Erfolg, sind diese vorrangig einzusetzen. Im Rahmen der Beurteilung der Erforderlichkeit des Zwecks wird differenziert zwischen öffentlich und nicht öffentlich zugänglichen Bereichen am Arbeitsplatz.

Gemäß § 4 BDSG ist die Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Bereiche insbesondere zulässig zur Wahrnehmung des Hausrechts oder zum Zweck, berechtigte Interessen zu wahren, solange keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der betroffenen Personen überwiegen. Auch die Abwehr von Gefahren oder die Aufklärung einer Straftat bei konkretem Verdacht begründen legitime Zwecke.

Nicht öffentlich zugängliche Räume hingegen, in denen sich Arbeitnehmer unbeobachtet fühlen (dürfen) und sich entsprechend privat verhalten, werden dem höchstpersönlichen Lebensbereich zugeordnet als Teil der Intimsphäre, die wiederum von der unantastbaren Menschenwürde erfasst wird, sodass zum Beispiel in Sanitäranlagen, Umkleiden und Schlafräumen eine Videoüberwachung unter keinen Umständen stattfinden darf. Ist der höchstpersönliche Lebensbereich dagegen nicht betroffen, so ist für die Zulässigkeit einer Videoüberwachung die Abgabe eines freiwilligen und widerrufbaren Einverständnisses aller Betroffenen sowie die Unterrichtung über den Zweck der Überwachung notwendig, so § 51 BDSG. 
Schließlich dürfen die gemachten Aufnahmen nicht für einen zeitlich unbegrenzten Zeitraum gespeichert werden. Vielmehr sind die Aufzeichnungen unverzüglich zu löschen, sobald der damit verfolgte Zweck erreicht wurde. Eine pauschale zeitliche Grenze existiert hierbei allerdings nicht.

Vertretung nach Kündigung durch Anwalt für Arbeitsrecht

Unser Tipp für Arbeitnehmer zum Thema Kündigung nach heimlicher Videoüberwachung:

Befürchtet ein Arbeitnehmer, dass er einer unzulässigen Videoüberwachung durch den Arbeitgeber ausgesetzt ist, so empfiehlt es sich, den Rat eines Fachanwalts für Arbeitsrecht einzuholen, um sich gegen den Eingriff in die eigenen Rechte effektiv und erfolgreich wehren zu können.

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