Keine Rückzahlung von Fortbildungskosten

Anwältin geht in Robe zum Gericht und hält Aktentasche

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Juli 4, 2024

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Datum:

In dem Endurteil des Arbeitsgerichts Bayreuth vom 04.12.2023 zum Aktenzeichen 1 Ca 536/23 haben wir zugunsten der von uns vertretenen Klägerseite erfolgreich erstritten, dass der Beklage die Rückforderung der Fortbildungskosten, die er für den Kläger aufgewandt hat, aus der Fortbildungsvereinbarung nicht geltend machen kann. Grund dafür ist der zwischen Kläger und Beklagtem geschlossene Auflösungsvertrag, in dem die Parteien vereinbart haben, dass weitergehende Ansprüche neben dem Auflösungsvertrag nicht bestehen. Überdies war die Rückzahlungsklausel in der Fortbildungsvereinbarung unwirksam.

Unsere Anwälte für Arbeitsrecht in Bayreuth haben ein Urteil zugunsten des Klägers erstritten. Im Endurteil vom 04.12.2023 zum Aktenzeichen 1 Ca 536/23 hat das Arbeitsgericht zugunsten der von uns vertretenen Klägerseite entschieden, dass der Beklage die Rückforderung der Fortbildungskosten aus der Fortbildungsvereinbarung nicht geltend machen kann. Die Rückzahlungsklausel litt an erheblichen Mängeln, die zur Unwirksamkeit führten. Denn auch bei Fortbildungsvereinbarungen ist eine AGB-Prüfung durchzuführen. Die hier vereinbarte Klausel verstieß gegen das Transparenzgebot und benachteiligte den Kläger unangemessen. Für euch haben wir die Urteilsgründe in unserem Blog veröffentlicht.

Urteil des Arbeitsgerichts Beyreuth vom 30.11.2023 zum Az. 1 Ca 536/23 – rechtskräftig

Veröffentlich von: Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht und Sozialrecht Ilka Schmalenberg, am 04.07.2024.

  1. Es wird festgestellt, dass dem Beklagten gegenüber dem Kläger keineForderung aufgrund einer Weiterbildungsvereinbarung in Höhe von 4.317,04 € zusteht.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  3. Der Streitwert wird auf 4.317,04 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Wege der negativen Feststellungsklage über die Rückzahlung von Fortbildungskosten.

Der Kläger war seit dem 01.09.2016 bei dem Beklagten als Erzieher in der Kinder- und Jugendpsychiatrie beschäftigt (vgl. Anlage K1, Bl. 8 ff.d.A.). Die Parteien schlossen am 07.10.2020 eine Fortbildungsvereinbarung zur Fortbildung „systemisches Arbeiten“ (vgl. Anlage K2, Bl. 11 d.A. ff.) beim Veranstalter XY für systemische Beratung. Der Lehrgang dauerte im Zeitraum vom 08.12.2020 bis zum 12.12.2022 insgesamt 31Tage und fand in Fürth statt.

§ 2 der Fortbildungsvereinbarung „Leistungen des Arbeitgebers“ lautet wie folgt:

(1) Der Arbeitgeber gewährt dem/der Beschäftigten in der Erwartung, dass das Arbeitsverhältnis auch nach Ablegung der Fachprüfung fortgesetzt wird, folgende

Leistungen:

a) Freistellung von der Arbeit unter Fortzahlung des Entgelts einschließlich etwaiger (Besitzstands-)Zulagen für die Zeit der lehrgangs- und prüfungsbedingten

Abwesenheit in Höhe der Soll-Arbeitszeit von maximal 15 Kalendertagen;

b) Übernahme von Kosten und Gebühren (Lehrgangs- und Prüfungsgebühren sowie Unterkunfts- und Verpflegungsgebühren) in Höhe von 2.500 Euro;

c) Abweichend von lfd. Nr. b) dieses Paragraphen werden Reisekosten für Anund Abreise bzw. Trennungsgeld und Übernachtungskosten vom Arbeitgeber nicht übernommen.

(2)

§ 4 der Fortbildungsvereinbarung „kein Anspruch auf höhere Vergütung“ lautet wie folgt:

„Über die tarifliche Eingruppierungsautomatik hinaus kann der/die Beschäftigte aus dem Bestehen der Fachprüfung allein keine Ansprüche auf ein höheres Entgelt oder auf Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit herleiten.

§ 5 der Fortbildungsvereinbarung „Ersatzpflicht“ lautet auszugsweise wie folgt:

(1) Der/Die Beschäftigte hat die Leistungen des Arbeitgebers nach § 2 Abs. 1 Buchst. b) und c) sowie das während der Freistellung fortgezahlte Entgelt nach § 2 Abs. 1 Buchst. a) in voller Höhe zu erstatten, wenn er/sie auf eigenen Wunsch oder aus seinem/ihrem Verschulden

a) die Anmeldung bis vor Beginn des Fachlehrgangs zurückzieht,

b) aus dem Lehrgang ausscheidet (einschließlich § 3 Abs. 5),

c) die Prüfung nicht ablegt oder im Fall des Nichtbestehens die Prüfung trotz Aufforderung durch den Arbeitgeber, nicht wiederholt,

d) aus dem Dienst seines/ihres Arbeitgebers vor Ablegung der Fachprüfung ausscheidet.

(2) Der/Die Beschäftigte hat dem Arbeitgeber, sofern er/sie auf eigenen Wunsch oder aus seinem/ihrem Verschulden nach dem Bestehen der Prüfung aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von 2 ½ Jahren ausscheidet, für jeden vollen Kalendermonat, der an diesem Zeitraum fehlt, 1/12 der erhaltenen Leistungen nach § 2 Abs. 1 zu erstatten.

(3)

Mit Schreiben vom 28.02.2022, welches mit „Bitte um einen Aufhebungsvertrag“ bezeichnet ist, schrieb der Kläger an den Beklagten „ich kündige mein bestehendes Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung und bitte um Aufhebung meines bestehenden Vertrages zum 30.04.2022“ (vgl. Anlage B2, Bl. 57 d.A.).

Mit Schreiben vom 07.03.2022, welches mit „Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Auflösungsvertrag“ bezeichnet ist, schrieb der Beklagte an den Kläger auszugsweise:

„Ihr Arbeitsverhältnis wird gemäß § 9 Abs. 4 der Betriebssatzung für das Kommunalunternehmen Gesundheitseinrichtungen des Bezirks Oberfranken in der jeweils geltenden Fassung im gegenseitigen Einvernehmen mit Ablauf des 30.04.2022 beendet.

Wir bitten Sie den beiliegenden Auflösungsvertrag zu unterschrieben und eine Ausfertigung bis 21.03.2022 wieder an die Personalabteilung zurückzugeben. […].“ (vgl. Anlage K3, Bl. 14 ff.d.A.)

Das Arbeitsverhältnis endete durch Auflösungsvertrag zum Ablauf des 30.04.2022 (vgl. erster Absatz des Auflösungsvertrags vom 07.03.2022, Anlage K3, Bl. 15 d.A.).

§ 1 des Auflösungsvertrags vom 07.03.2022 lautet auszugsweise:

„[…] Die Parteien sind sich darüber einig, dass mit vorstehender Regelung die Vergütungsansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und aus Anlass seiner Beendigung abschließend geregelt sind.“ (vgl. Anlage K3, Bl. 15 d.A.)

§ 2 des Auflösungsvertrages lautet in Absatz 2:

„Weitergehende Ansprüche in Bezug auf Vergütung und Eingruppierung bestehen nicht.“ (vgl. Anlage K3, Bl. 15 d.A.)

Mit Rechnung vom 21.06.2022 begehrte der Beklagte vom Kläger die Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 4.317,04 €, aufgeschlüsselt in Lehrgangskosten der XY für systemische Beratung 2.595,00 € und Entgeltfortzahlung während der Weiterbildung 1.722,04 € (vgl. Anlage K4, Bl. 17 d.A.).

Mit anwaltlichem Schreiben vom 19.07.2022 wies der Kläger die Forderung zurück (vgl. Anlage K5, Bl. 18 ff.d.A.). Eine Reaktion des Beklagten erfolgte nicht. Mit Schreiben vom 14.09.2022 erhielt der Kläger eine Mahnung. Inklusive Mahngebühr betrug die Forderung 4.322,04 € (vgl. Anlage K7, Bl. 25f. d.A.). Der Kläger wies mit anwaltlichem Schreiben vom 06.10.2022 die Forderung ebenfalls zurück (vgl. Anlage K8, Bl. 26 a d.A.). Eine Reaktion des Beklagten unterblieb. Mit Schreiben vom 10.08.2023 des Bayerischen Inkasso Dienst wurde gegenüber dem Kläger eine Forderung in Höhe von 4.501,48 € unter Hinweis, dass sich der Kläger auf die Mahnung hin weder geäußert noch Zahlung geleistet habe und der Beklagte nunmehr gerichtliche Maßnahmen wünsche, geltend gemacht (vgl. Anlage K 8, Bl. 28 d.A.).

Mit seiner negativen Feststellungsklage begehrt der Kläger die Feststellung, dass dem Beklagten ihm gegenüber keine Forderung zustehe. Das negative Feststellungsinteresse ergebe sich daraus, dass der Beklagte sich gegenüber dem Kläger einer Forderung durch Einschaltung eines Inkassounternehmens berühme.

Die in der Fortbildungsvereinbarung getroffene Rückzahlungsvereinbarung scheitere bereits an dem einvernehmlich geschlossenen Auflösungsvertrag. Diese löse bereits keine Rückzahlungsverpflichtung aus, da man diese Form der Beendigung des Arbeitsvertrages nicht im Rahmen der Erstattungsklausel geregelt habe. Zudem scheitere die Rückforderung an den Regelungen des Auflösungsvertrages, wonach mit diesem alle Vergütungsansprüche geregelt seien und weitere Ansprüche nicht bestünden. Auch scheitere die Rückzahlungsklausel an der Klauselkontrolle der §§ 305 ff. BGB. Sie sei intransparent stelle eine unangemessene Benachteiligung des Klägers dar.

Der Kläger beantragt:

Es wird festgestellt, dass dem Beklagten gegenüber dem Kläger keine Forderung aufgrund einer Weiterbildungsvereinbarung in Höhe von 4.317,04 € zusteht.

Der Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Er wendet ein, die Klage sei bereits unzulässig, da ein Feststellungsinteresse nicht vorliege. Zudem sei die Fortbildungsvereinbarung mit Rückzahlungsklausel weder intransparent noch stelle sie eine unangemessene Benachteiligung zulasten des Klägers dar. Anzumerken sei zudem, dass die Initiative zu der der Vereinbarung zugrundeliegenden Fortbildung vom Kläger ausgegangen sei. Er habe sich von der Fortbildung Kompetenzen und praktische Werkzeuge erhofft, um ein Elterntraining durchführen zu können. Auch habe er in Aussicht gestellt das Erlernte an die Kollegen weiterzugeben. Die Rückzahlungsvereinbarung scheitere auch nicht an dem geschlossenen Auflösungsvertrag. Der Kläger habe – wenn auch widersprüchlich – in seinem Schreiben vom 28.02.2022 eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen. Die Parteien habe diese nur in Form des Auflösungsvertrags abgewickelt. Dies ändere jedoch nichts an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung. Der Kläger habe durch die Fortbildung seinen Marktwert erhöhen können und der Beklagte habe ihm dies durch die Kostenübernahme ermöglicht. Den Parteien sei klar gewesen, dass die Fortbildung insgesamt 31 Tage andauern werde und der Beklagte ein halbes Bruttomonatsgehalt an Entgeltfortzahlung zahlen werde.

Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

A. Die Klage ist zulässig. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 a) ArbGG gegeben. Das Arbeitsgericht Bayreuth ist nach §§ 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, 12,17 Abs. 1, 29 Abs. 1 ZPO zur Entscheidung über den Rechtsstreit örtlich zuständig. Der Arbeitsort des Klägers befand sich im … in Bayreuth.

Das besondere Feststellungsinteresse des Klägers gem. § 256 Abs. 1 ZPO ist ebenfalls gegeben. Der Beklagte hat den Kläger am 21.06.2022 mittels Rechnung zur Rückzahlung der Forderung aufgefordert, ihn am 14.09.2022 angemahnt und am 10.08.2023 mittels Schreiben eines Inkassounternehmens die Forderung begehrt. In diesem Schreiben wird darauf hingewiesen, dass sich der Kunde des Inkassounternehmens, mithin der Beklagte, nunmehr gerichtliche Maßnahmen wünsche. Damit berühmt sich der Beklagte gegenüber dem Kläger eines Anspruchs.

Auf die mittels anwaltlichem Schreiben erfolgen Zurückweisungen der Forderungen des Beklagten durch den Kläger zur Rechnung und Mahnung erfolgte jeweils keine Reaktion des Beklagten. Dem Kläger ist es nicht zumutbar auf das Beitreiben der Forderung mittels Mahnbescheid oder Klage seitens des Beklagten zu warten, zumal diese durch das Inkassounternehmen bereits angedroht wurde. Er kann mittels negativer Feststellungsklage die Feststellung begehren, dass dem Beklagten gegenüber ihm keine Forderung zusteht.

B. Die Klage ist auch begründet. Die Rückzahlungsvereinbarung aus der Forderungsvereinbarung vom 07.10.2020 kommt aufgrund des geschlossenen Auflösungsvertrags nicht zum Tragen, im Übrigen ist sie unwirksam.

1. Die Parteien haben einen Auflösungsvertrag zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschlossen. Entgegen der Ansicht des Beklagten endete das Arbeitsverhältnis nicht durch die im Schreiben vom 28.02.2022 erklärte außerordentliche Kündigung des Klägers. Die Außerordentliche Kündigung stellt eine empfangsbedürftige Willenserklärung dar, welche durch die aussprechende Partei wieder zurückgenommen werden kann. Erklärt sich die Gegenseite mit der Rücknahme der Kündigung einverstanden, verliert die Kündigung ihre Wirkung. So stellt es sich vorliegend dar. Der Kläger als juristischer Laie hatte sein Schreiben vom 28.02.2022 mit „Bitte um einen Aufhebungsvertrag“ bezeichnet.

Er äußerte sich inhaltlich widersprüchlich. Einerseits erklärte er eine außerordentliche Kündigung mit sofortiger Wirkung, andererseits bat er um Aufhebung seines bestehenden Arbeitsvertrags zum 30.04.2022. Unter Berücksichtigung des Schreibens des Beklagten vom 07.03.2022, welches mit „Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Auflösungsvertrag“ überschrieben ist und welche der letztendlich zwischen den Parteien geschlossene Auflösungsvertrag beigefügt war, haben sich die Parteien einvernehmlich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Auflösungsvertrag zum 30.04.2022 und nicht durch die außerordentliche Kündigung des Klägers zum 28.02.2022 geeinigt.

Damit hat das Arbeitsverhältnis durch einvernehmlichen Auflösungsvertrag geendet.

§ 5 der Fortbildungsvereinbarung sieht keine Regelung einer Rückzahlungsverpflichtung für eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor. Damit ist der Anwendungsbereich des § 5 der Fortbildungsvereinbarung nicht eröffnet. Dem Beklagten fehlt eine Anspruchsgrundlage für die Rückforderung.

Im Auflösungsvertrag vom 07.03.2022 haben die Parteien zudem in den Paragrafen 1 und 2 eine abschließende Regelung zu den Vergütungsansprüchen geregelt, nämlich dahingehend, dass weitere Ansprüche mit Ausnahme der im Auflösungsvertrag geregelten nicht bestehen. Mit der Abrechnung im April 2022 sind alle Ansprüche abgerechnet worden. Weitergehende Ansprüche bestehen nicht. Die Geltendmachung der Rückforderung der Fortbildungskosten scheitert deshalb auch an der Vereinbarung des Ausschlusses weiterer Ansprüche im Auflösungsvertrag.

2. Selbst wenn man dies anders beurteilt, scheitert die Rückforderung der Beklagten an der Wirksamkeit der in § 5 der Fortbildungsvereinbarung vereinbarten Rückzahlungsklausel.

a) Vereinbarungen über die Rückzahlung von Fortbildungskosten im Fall einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind grundsätzlich zulässig (vgl. BAG 01.03.2022, NZA 2022, S. 786 Rn.21), wenn sie die Arbeitsmarktchancen des Arbeitnehmers deutlich erhöhen. Sie dienen dazu,

den Arbeitnehmer für eine gewisse Zeit an den Arbeitgeber zu binden,

wenn dieser die Fortbildung freiwillig anbietet und die Kosten in nicht unerheblichem Umfang übernimmt.

b) Rückzahlungsvereinbarungen stellen jedoch in Formularverträgen in der Regel allgemeine Geschäftsbedingungen (§ 310 Abs. 4 S.2 BGB) dar, die an den §§ 305 ff BGB zu messen sind. Der Arbeitgeber muss den Arbeitsnehmer zu Beginn der Fortbildung auf alle Folgen, die sich aus einer solchen Vereinbarung ergeben klar und unmissverständlich hinweisen, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Für vorformulierte Vertragsbedingungen kommt es nach § 307 BGB auf die Prüfung an, ob eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers vorliegt. Der Arbeitnehmer muss mit der Fortbildung eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhalten haben. Insgesamt muss dem Arbeitnehmer die Erstattungspflicht auf Grund einer Güter- und Interessenabwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls zuzumuten sein (BAG 01.03.2022, NZA 2002, S. 786 Rn. 20f.). Bei Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot kommt eine geltungserhaltende Reduktion der formularvertraglichen Rückzahlungsvereinbarung nicht in Betracht mit der Folge, dass die Rückzahlungsvereinbarung insgesamt unwirksam ist und keine Rechtsgrundlage für eine Rückforderung besteht.

(1) Vorliegend hat der Kläger keine dauerhaft finanzielle Gegenleistung für das Bestehen der Fortbildung erhalten. Er hat einen Vorteil an Wissen erhalten, das er bei seiner täglichen Arbeit einbringen kann und diese dadurch ggf. leichter bewältigen kann oder das er bei einem neuen Arbeitgeber zur Erhöhung seines Entgeltes einwenden kann. Bei dem Beklagten jedoch führte das potentielle Bestehen der Fortbildung gem. § 4 der Fortbildungsvereinbarung gerade nicht zu einem höheren Lohnanspruch oder zu einem Anspruch eine höhere Position zu begleiten. Ein solcher wurde explizit („kein Anspruch auf höhere Vergütung“) von vornherein ausgeschlossen. Die Regelung enthält keine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung. Die Fortbildung kommt auch dem Beklagten zugute. Ob die Initiative zur Belegung der Fortbildung vom Kläger ausging, spielt keine Rolle (BAG v. 06.09.1995, 5 AZR 241/94).

(2) Der Beklagte verlangt vom Kläger ausweislich § 5 Abs. 1 der Fortbildungsvereinbarung die Leistungen nach § 2 Abs. 1 Buchst. b) und c) zurück. Ausweilich der Regelung in § 2 Abs. 1 Buchst. c) wurde jedoch geregelt, dass der Kläger Reisekosten für An- und Abreise bzw. Trennungsgeld sowie Übernachtungskosten von dem Beklagten nicht erhält.

Insofern ist die Regelung in § 5 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Buchst. c) intransparent und widersprüchlich, weil etwas seitens des Beklagten zurückgefordert wird, was er überhaupt nicht geleistet hat. Es ist völlig unklar, was der Beklagte als Klauselverwender vom Kläger verlangt. Wird der Betrag geleistet und zurückgefordert (entgegen dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Buchst. c) ) oder erfolgt keine Rückforderung eines Betrags, den man auch nicht erhalten hat (entgegen dem Wortlaut des § 5 Abs. 1)? Diese Ungewissheit geht zu Lasten des Beklagten als Klauselverwender.

(3) Weiterhin hat der Beklagte nach § 2 Abs.1 a) der Fortbildungsvereinbarung nur für knapp die Hälfte der Ausbildungszeit, nämlich für 15 Tage die Entgeltfortzahlung übernommen. Das heißt, der Kläger hat an 16 Tagen unbezahlt an der Fortbildung teilnehmen müssen. Diesen Beitrag des Klägers trägt die Rückzahlungsverpflichtung keine Rechnung.

Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger auch die erforderlichen Prüfungsmittel beschaffen musste, er sein erlerntes Wissen ohne weitere Gegenleistung des Beklagten an die Kollegen weitergeben sollte, stellt die Regelung, welche eine komplette Übernahme der von dem Beklagten getragenen Kosten beinhaltet, eine unangemessene Benachteiligung des Klägers dar. Der Beklagte setzt durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Klägers durch, ohne von vornherein auch dessen Belange zu berücksichtigen. So greift die Rückzahlungsvereinbarung unangemessen in die Berufsausübungsfreiheit des Klägers aus Art. 12 GG ein, indem ihm klar vor Augen geführt wird, dass er die kompletten Kosten zu tragen hat, wenn das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien während oder innerhalb einer kurzen Zeitspanne nach Beendigung der Fortbildung endet.

(4) Auch stehen die Fortbildungsdauer in keinem angemessenen Verhältnis zur Bindungsdauer. Die Fortbildung dauerte insgesamt 31 Fortbildungstage, welche sich über zwei Jahre erstreckten. Gemäß § 5 Abs. 2 der Fortbildungsvereinbarung beträgt die Bindungsdauer 2,5 Jahre.

Nach den vom BAG aufgestellten Grundsätzen stellt dies eine unange messene Benachteiligung des Arbeitnehmers dar, da dieser in seiner Berufsausübungsfreiheit gem. Art. 12 GG gehindert wird. Bei einer Lehrgangsdauer von bis zu einem Monat ohne Verpflichtung zur Arbeitsleistung darf höchstens eine sechsmonatige Bindung vereinbart werden (vgl. BAG v. 15.09.2009, NZA 2010, S. 550.). Unterbrechungen, in denen eine Arbeitsleistung erbracht wird, sind nicht zu berücksichtigen, da in dieser Zeit die synallagmatischen Verpflichtungen erfüllt werden. Vorliegend überschreitet die Bindungsdauer diese Schwelle um ein Vielfaches. Die Rückzahlungsvereinbarung stellt auch aus diesem Grund eine unangemessene Benachteiligung des Klägers dar.

(5) Die Knüpfung der Rückzahlungsverpflichtung an das Nichtablegen der Prüfung ohne, dass die Regelung danach differenziert, ob das Nichtablegen der Prüfung aus der Sphäre des Arbeitnehmers kommt, stellt ebenfalls eine unangemessene Benachteiligung dar (vgl. BAG v. 25.04.2023, 9 AZR 187/22), da sie geeignet ist einen Bleibedruck beim Arbeitgeber auszuüben.

(6) Weiterhin stellt die Regelung des § 5 Abs. 2 der Fortbildungsvereinbarung eine unangemessene Benachteiligung dar, da sie im Ergebnis zu einer Pflicht zur Zahlung einer Vertragsstrafe des Klägers führt. Scheidet der Kläger innerhalb von 2 ½ Jahren aus dem Arbeitsverhältnis aus, ist er verpflichtet, für jeden vollen Kalendermonat 1/12 der erhaltenen Leistung nach § 2 Abs. 1 zurückzuzahlen. Im Ergebnis heißt dies, bei einem unmittelbaren Ausscheiden nach dem Bestehen der Prüfung, müsste dieser insgesamt 30/12 (1/12 pro Monat für 2,1/2 Jahre) zurückzahlen. Damit erhält der Beklagte mehr als er für die Fortbildung aufgewendet hat. Dieses „Mehr“ ist als Strafe für das zeitnahe Beenden des Arbeitsverhältnisses, mithin als Vertragsstrafe für das vorzeitige Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zu qualifizieren.

(7) Auch differenziert die Rückzahlungsklausel nicht ausreichend nach dem Grund der Beendigung. Speziell sind die Tatbestände „vom Arbeitgeber zu vertretende Kündigung“ und „unverschuldete, dauerhafte Leistungsunfähigkeit“ nicht ausgenommen von der Rückzahlungsverpflichtung. In § 5 der Fortbildungsvereinbarung werden zwar die Gründe „auf eigenen Wunsch“ und „aus seinem Verschulden“ aufgenommen. Der Arbeitnehmer kann jedoch auch auf eigenem Wunsch ausscheiden, wenn die Gründe für diese Entscheidung jedoch aus der Sphäre des Arbeitgebers kommen, beispielsweise, weil es eine vorangegangene Tätlichkeit des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer gab. In diesem Fall, der von der streitgegenständlichen Formulierung ebenfalls erfasst wäre, stellt eine Rückzahlungsverpflichtung des Klägers eine unangemessene Benachteiligung dar.

(8) Schlussendlich verstößt die Rückzahlungsverpflichtung auch gegen das Bestimmtheitsgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Leistungen, welche seitens des Beklagten übernommen und nunmehr zurückgefordert werden, sind nicht klar und hinreichend genau formuliert. § 2 Abs. 1 Ziffer 1 lautet: Freistellung von der Arbeit unter Fortzahlung des Entgelts einschließlich etwaiger (Besitzstands-)Zulagen für die Zeit der lehrgangs- und prüfungsbedingten Abwesenheit in Höhe der Soll-Arbeitszeit von maximal 15 Kalendertagen. Dem Kläger ist damit die konkrete Höhe der Lohnfortzahlung nicht bekannt. Was sind etwaige Soll-Zulagen? Wie bemessen sich diese? Der Beklagte hätte sich im Sinne einer Transparenz die Mühe machen müssen die Summe konkret, ggf. pro Freistellungstag zu beziffern, damit der Kläger bei Vertragsschlussabschätzen kann, welche finanziellen Risiken auf ihn zukommen, wenn § 5 der Fortbildungsvereinbarung zum Tragen kommt.

Nach all dem ist die Rückzahlungsklausel in der Forderungsvereinbarung unwirksam. Eine geltungserhaltende Reduktion scheidet aus. Dem Beklagten steht kein Anspruch aus der Fortbildungsvereinbarung vom 07.10.2020 zu.

3. In Höhe von 95,00 € besteht aus der Fortbildungsvereinbarung kein Anspruch gegen den Kläger, da der Beklagte in dieser Höhe keine Fortbildungskosten übernommen hat. Ausweislich § 2 Abs. 1 b) der Fortbildungsvereinbarung war zwischen den Parteien vereinbart, dass der Beklagte Kosten und Gebühren in Höhe von 2.500,00 € übernimmt. In seiner Rechnung sowie der Mahnung und des Schreibens des Inkassobüros fordert die Beklagte Kosten und Gebühren in Höhe von 2.595,00 € zurück. Eine Rechtsgrundlage für die Rückforderung in Höhe von 95,00 € gibt es nicht.

Nach all dem ist die Klage zulässig und begründet.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG, § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

D. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 61 Abs. 1 ArbGG, § 3 ZPO.

Die meisten Fortbildungsvereinbarungen sind unwirksam. Für Leihen sind die Fehler nicht zu erkennen. Sollten Sie eine Fortbildungsvereinbarung mit Rückzahlungsklausel abgeschlossen haben, kontaktieren Sie unsere Anwälte für Arbeitsrecht und lassen Sie sich über Ihre Rechte beraten.

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