Ein Bewerbungsgespräch ist für viele Menschen mit Unsicherheiten, Leistungsdruck und Stress verbunden, denn der Arbeitgeber möchte in kürzester Zeit mithilfe gezielter Fragen möglichst viel über den Bewerber erfahren, um diesen besser kennenzulernen und dadurch beurteilen zu können, ob der Bewerber als künftiger Arbeitnehmer zum Unternehmen passt und für den konkreten Arbeitsplatz mit den entsprechenden Anforderungen geeignet ist. Leider werden dabei oft unzulässige Fragen im Vorstellungsgespräch gestellt.
Der zeitlich begrenzte Rahmen des Bewerbungsgesprächs setzt den Bewerber dabei unter Druck, sich bei jeder Frage von seiner besten Seite zu präsentieren und den Arbeitgeber von sich, seiner Eignung und seinen Fähigkeiten zu überzeugen, um seine Chancen auf den Arbeitsplatz zu erhöhen. Fraglich ist jedoch, was und wie viel man bei der Beantwortung der Fragen preisgeben muss oder ob es nicht vielmehr Fragen gibt, die der Arbeitgeber gar nicht stellen darf und die man deshalb nicht wahrheitsgemäß beantworten muss. In diesem Blogbeitrag klären wir auf, was erleubt ist und was nicht.
Welche Fragen darf der Arbeitgeber dem Bewerber stellen?
Grundsätzlich darf der Arbeitgeber dem Bewerber Fragen stellen, die mit dem konkreten Arbeitsplatz zu tun haben, denn Sinn und Zweck des gesamten Bewerbungsprozesses ist es gerade, herauszufinden, ob der Bewerber das Unternehmen als künftiger Arbeitnehmer bereichern würde. Problematisch wird es jedoch, wenn die Fragen die Privatsphäre des Bewerbers berühren und/oder keine Berührungspunkte mit der Stellenausschreibung aufweisen. Wann eine solche Frage unzulässig ist, hängt von vielen verschiedenen Kriterien und Umständen des Einzelfalls ab.
Vorab kann festgehalten werden, dass Fragen nach dem Alter, der ethnischen Herkunft oder dem Familienstand ausnahmslos immer unzulässig sind, da eine Diskriminierung in der Arbeitswelt aufgrund dieser Eigenschaften nicht gerechtfertigt werden kann.
Hingegen nur im Grundsatz unzulässige Fragen liegen vor, wenn sie für die Bewertung der Eignung für die konkrete Arbeitsstelle irrelevant sind und die wahrheitsgetreue Beantwortung deshalb eine Diskriminierung bzw. nachteilige Gewichtung befürchten lassen. Im Folgenden werden die Top 5 der grundsätzlich unzulässigen Fragen und ihre Ausnahmen aufgezeigt.
1. Sind Sie schwanger oder haben Sie noch einen Kinderwunsch?
Viele Frauen sind verunsichert, ob sie dem Arbeitgeber diese Frage wahrheitsgemäß beantworten müssen. Doch die Bejahung kann zu einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts führen, die unzulässig ist, denn ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers auf Kenntnis über diesen Umstand scheidet von vornherein aus. Einzig im Fall der Einstellung zum ausschließlichen Zweck der Schwangerschaftsvertretung kann eine Frage nach einer bestehenden Schwangerschaft rechtens sein.
2. Was ist Ihre Konfession?
Es ist grundsätzlich unzulässig, den Bewerber nach seiner persönlichen Weltanschauung und seinen Überzeugungen zu fragen, gleichgültig, ob im Bereich der Religion oder der Politik. Auch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gewerkschaft fällt hierunter. Anders verhält es sich jedoch, wenn die Kirche oder eine politische Partei die Arbeitgeberin ist, denn diese haben ein berechtigtes Interesse daran, dass ihre Überzeugungen mit denen des Bewerbers im Wesentlichen übereinstimmen und dürfen sich folglich diesbezüglich bei dem Bewerber erkundigen.
3. Leiden Sie an körperlichen Einschränkungen?
Die Frage nach einer bestehenden Behinderung oder Erkrankung ist ebenso in der Regel nicht gestattet, um Diskriminierungen aufgrund dessen zu vermeiden. Ausnahmsweise darf nach einer Behinderung oder Erkrankung gefragt werden, wenn der konkrete Arbeitsplatz spezielle Anforderungen an die Fähigkeiten des Bewerbers stellt und eine körperliche Einschränkung ernsthaft an der Eignung, die Aufgaben vollumfänglich zu erfüllen, zweifeln lässt.
Leidet der Bewerber hingegen an einer ansteckenden Erkrankung und gefährdet dadurch andere Mitarbeiter und Kunden, so hat er unter Umständen sogar eine sogenannte Offenbarungspflicht, was bedeutet, dass der Bewerber dem Arbeitgeber bestimmte Umstände darlegen muss, auch ohne danach gefragt worden zu sein, soweit diese Information für die langfristige Berufsausübung unmittelbar relevant ist.
4. Wie sehen Ihre Vermögensverhältnisse aus?
Die Vermögensverhältnisse, insbesondere der Umgang mit dem privaten Vermögen und etwaige Schulden, lassen in den allermeisten Fällen keine Rückschlüsse auf die Geeignetheit und Fähigkeit des Bewerbers für den Arbeitsplatz zu.
Geht es jedoch um die Besetzung einer Führungsposition, so liegt es im Interesse des Arbeitgebers, mehr über die private Vermögensverwaltung des Bewerbers zu erfahren, um besser einschätzen zu können, ob dieser zuverlässig und verantwortungsvoll mit Vermögen umgehen kann, sodass eine entsprechende Frage des Arbeitgebers in diesem Fall zulässig ist.
5. Sind Sie vorbestraft?
Auch eine möglicherweise bestehende Vorbestrafung bedeutet nicht zwangsläufig, dass der Bewerber seine beruflichen Aufgaben nicht pflichtbewusst und ordnungsgemäß ausführen kann, sodass der Bewerber regelmäßig nicht wahrheitsgemäß antworten muss. Anders verhält es sich jedoch, wenn die Vorbestrafung unmittelbar mit der zu besetzenden Stelle in Zusammenhang steht.
Der Arbeitgeber wird zum Beispiel ein berechtigtes Interesse daran haben zu erfahren, ob ein Bewerber als Busfahrer in der Vergangenheit wegen Verkehrsdelikten bestraft wurde, da hieraus unmittelbare Rückschlüsse gezogen werden können in Bezug auf die Geeignetheit des Bewerbers für den konkreten Arbeitsplatz.
Droht dem Bewerber darüber hinaus eine Haftstrafe, dann ist dieser sogar zur Offenbarung verpflichtet, da ihn eine anstehende Haftstrafe langfristig daran hindert, seine Arbeit auszuüben.
Fazit:
Abschließend kann festgehalten werden, dass es im Einzelfall Fragen gibt, die der Arbeitgeber nicht stellen darf. Fraglich bleibt jedoch, wie sich der Bewerber in einer solchen Situation am besten verhält, denn einfach nicht zu antworten oder den Arbeitgeber auf die Unzulässigkeit der Fragenstellung hinzuweisen, wirft ein negatives Licht auf den Bewerber und könnte zu Nachteilen im weiteren Bewerbungsprozess führen. Häufig stellt der Arbeitgeber nämlich bewusst unerlaubte Fragen, um zu prüfen, wie der Bewerber in unerwarteten Stresssituationen reagiert.
An erster Stelle ist es wichtig, nicht ausfallend zu werden, sondern freundlich und gelassen zu bleiben. Anschließend kann man sich entscheiden, wie man reagieren möchte. Zunächst bleibt natürlich die Möglichkeit, ehrlich zu antworten. Möchte man dies jedoch nicht, so darf man – wenn keine Offenbarungspflicht besteht – bewusst lügen. Insoweit besteht sogar ein „Recht zur Lüge“, das heißt, der Bewerber hat trotz Lüge keine Nachteile zu befürchten, denn stellt der Arbeitgeber eine unzulässige Frage, so muss er auch damit rechnen, dass der Bewerber nicht wahrheitsgetreu antwortet.
Sind Sie sich unsicher, ob der Arbeitgeber Ihnen im Rahmen des Vorstellungsgesprächs eine unzulässige Frage gestellt hat und haben Sie durch die Beantwortung eine Benachteiligung oder Diskriminierung im Bewerbungsprozess erfahren, so prüfen unsere Anwälte für Arbeitsrecht gerne für Sie, ob die Frage rechtens war und beraten Sie im Anschluss über Ihre Möglichkeiten, sich gegen die erlittenen Nachteile zu wehren.